TERMINE
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- Fr 24.2.23, 20:15 | Premiere
- Sa 25.2.23, 20:15
- So 26.2.23, 18:00 | mit Publikumsgespräch
- Do 2.3.23, 20:15
Auf Hochdeutsch, Plattdeutsch, Livisch, Arabisch, Englisch mit hochdeutschen Übertiteln
Dauer ca. 90 Minuten
„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“
(Ludwig Wittgenstein)
Was verschwindet, wenn eine Sprache stirbt? Die Liven, ein Küstenvolk in Lettland, sind vom Aussterben bedroht. Ihre Kultur droht assimiliert zu werden, während Livisch gar nur noch von einer Handvoll Menschen auf muttersprachlichem Niveau gesprochen wird. Der plattdeutschen Sprache, mit der im Norden Deutschlands ebenfalls immer weniger Menschen aufwachsen, droht ein ähnliches Schicksal.
Minderheitensprachen sind wie der Kaspische Tiger oder der Mosel-Apollofalter – wenn sie nicht geschützt werden, verschwinden sie. Und wenn man sagt, dass Welt durch Sprache erschaffen wird, versinkt mit jeder kleinen Sprachgruppe auch eine Insel an Bedeutungen. Aber wen kümmert das? Was gilt uns als schützenswert? Was kann weg? Und wo verläuft die Grenze zwischen Heimatpflege und Instrumentalisierung?
„Nation funktioniert als Grenze nach außen, Heimat bildet eine Grenze nach innen.“
(Mithu Sanyal)
Sprache kann sowohl dynamische Trägerin sozialer Realitäten als auch Museum sein – ständig in Veränderung und Anpassung begriffen, aber auch Konserve der Zeit, die irgendwann niemand mehr verstehen kann. Kultur ist nie neutral. Verstanden werden kann sie nur durch Kontaktaufnahme. Daher hat sich das Produktionsteam auf eine Reise zu den verbleibenden Liven im weitläufigen Norden Lettlands begeben. Sie haben viele Fragen gestellt, Spuren der Geschichte in der Natur, in der Kultur und in den Menschen gelesen. Sie sind eingetaucht in einen Komplex, der ihnen zuvor vollkommen unbekannt war.
„En Spraak is in Gefohr, wenn jümehr Sprekers ehr nich mehr bruken doot, un ehr nich mehr vun Generatschoon to Generatschoon wiedergeevt, so dat dat keen ne’en Sprekers mehr gifft, nich wussen Lüüd, nich Kinner.“
(UNESCO, 2003)
Sprache bedeutet gerade für Minderheiten mehr als reine Kommunikation, die ja auch durch andere Sprachen – deutsch, englisch, lettisch… – möglich wäre. Sprache wird Teil der Identität, Sprache formt auch eine (imaginierte) Heimat. Wie schaffen wir es, diese Diversität zu schützen, ohne andere Gruppen auszuschließen? Können Plattdeutsch und Livisch auch uns eine Heimat sein?
Mit diesem Projekt betreten FAUST-Preisträger Helge Schmidt und sein Team neues Terrain: In einer einzigartigen künstlerischen Zusammenarbeit mit dem LICHTHOF Theater und dem Ohnsorg-Theater betrachtet die Gruppe aus der freien Szene die Dimensionen des Aussterbens und Erhaltens von Kultur, ohne sentimentalen und folkloristischen Überbau.
„Dat Leven vun de Liven“ kombiniert dokumentarisches und dramatisches Theater mit Interviews und Landschaftsaufnahmen sowie Texten von Peter Bichsel, Ray Bradbury, David Foster Wallace, Judith Schalansky, Dörte Hansen, Ludwig Wittgenstein, Mithu Sanyal, Uli Stein zu einer Meditation über das, was uns wichtig ist. Aber nicht nur das – in dieser besonderen Konstellation mit zwei unterschiedlichen Theaterhäusern überschreitet die Produktion sowohl institutionelle, als auch sprachliche, inhaltliche und ästhetische Grenzen.